H.P. Baxxter
Deutschlands Techno-Gott
Ich sitze im „Literaturhaus Café“ an der Alster und warte auf den Mann, der unser Cover schmücken soll. Das „Literaturhaus Café“ war früher ein Mädcheninternat und ich frage mich, warum sich H.P. Baxxter wohl hier treffen wollte? Das Telefon klingelt!
„Hi Madita, sorry tut mir leid, ich komme 20 Minuten später. Ich hoffe, das ist nicht schlimm und bringt euren Zeitplan nicht völlig durcheinander.“, erklingt es am anderen Ende des Telefons. Ich bin beruhigt, dass Deutschlands Techno-Gott auf dem Weg zu mir ist.
Während der Wartezeit schaue ich mir das Café genauer an und stelle fest, dass der Frontmann von SCOOTER einen ausgezeichneten Geschmack hat. Das Haus hat Stil, aufwendige Wanddekorationen und tolle Möbel!
Dann erscheint H.P. Baxxter im Speisesaal. Er geht vorbei an zwei goldenen Kronleuchtern und setzt sich entspannt an unseren Tisch.
Ich habe mich während der Wartezeit gerade gefragt, wie dich deine Mutter wohl nennt?
(lacht) Also entweder Hans Peter oder auch wie die meisten H.P.. Manchmal, aus Spaß, auch der schöne Dave. Das stammt aus einer früheren Textzeile und ist irgendwie ein Running Gag.
Bei euren Touren steht man nicht nur neben Technofans, sondern tanzt auch Seite an Seite mit Rockern und auch älteren Ehepaaren, das ist so geil!
Das stimmt, unser Publikum ist sehr gemischt. Zu unseren Konzerten kommen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und aus jeder Altersklasse.
Auch deine Mutter?
Ja, die kommt immer, wenn wir in Hamburg spielen. Sie findet es z.B. toll, dass jeder einfach drauflostanzt. Sie sagt, das ist eine unglaubliche Energie, die sich da entwickelt.
Haben deine Eltern es zu Beginn deiner Karriere auch so toll gefunden?
(lacht) Nein, sie wollten natürlich, dass ich etwas Vernünftiges mache. Sie haben sich in den ersten acht Jahren meiner vergeblichen Anfangsmühen gefragt, was ich da eigentlich mache. Als wir dann unseren ersten Hit hatten mit „Hyper Hyper“ haben sie dann auch geglaubt, dass aus ihrem Jungen musikalisch noch was werden kann.
Hattest du schon immer das Gefühl, dass du irgendwann berühmt wirst?
Ja, ich habe immer daran geglaubt und bin fest der Meinung, wenn man sich etwas vorstellt, dann wird das auch wahr. Man darf nicht an sich zweifeln, dann wird das auch nix. Man darf sich nicht beirren lassen! Jeder quatscht dir von links und rechts ins Ohr. Da musst du aufpassen, dass du bei dir selbst und deinen Zielen bleibst.
Hast du in den ersten „erfolglosen“ acht Jahren die ganze Zeit an dich geglaubt?
(lacht) Naja, manchmal habe ich da morgens, wenn ich vor dem Spiegel stand, schon gedacht: „Oh Gott, ich hab doch mal Abi gemacht, was mache ich mit Ende 20 eigentlich hier?“ Aber zum Glück hat ja alles funktioniert.
Vor wie vielen Leuten habt ihr am Anfang eurer Karriere gespielt?
Das waren eher kleinere Events mit 300 bis 1.000 Leuten. Das fand ich am Anfang echt wenig. Das hat einfach ein bisschen gedauert, bis die Fans uns als „Band“ wahrgenommen haben. Viele denken ja heute immer noch, ich sei der „DJ SCOOTER“ und fragen mich, wann ich wieder auflege. Wir haben lange daran gearbeitet diesbezüglich unser Image bei den Leuten zu verändern und die Zuschauermengen wurden immer größer.
Das aktuelle Album „The Big Mash Up“ ist für mich überraschend auf Clubsound eingestellt. Die Songs „It’s a Biz“ und „Sex And Drugs And Rock ’n‘ Roll” sind total auf Elektro und nicht Techno getrimmt.
„It’s a Biz“ kommt jetzt bald als Single raus. Diese Musikrichtung ist ja für uns eher ein Experiment. Ich finde es auch total geil, aber die Fans haben dieses Album nicht ganz so gut angenommen. Die fanden das, glaube ich, zu modern.
2012 kommt wieder eine neue Tour. Geht es denn überhaupt noch größer und teurer als bisher?
(lacht) Na klar! Ich habe die genauen Kosten nicht im Kopf, aber die größte Position bei der Kalkulation der Tour ist die Pyrotechnik. Die LED-Lichter sind auch nicht ganz günstig, aber die ganzen Explosionen lassen das Budget immer mächtig in die Höhe steigen. Ich finde aber, das gehört dazu! Eine gute Show, so wie mit der „Stadion Techno Inferno Tour“, ist einfach geil und bringt alles auf einen Punkt. Wir sind oft in anderen Ländern aufgetreten, wo Pyrotechnik verboten war wie z.B. in Russland. Das ging natürlich auch, aber es macht einfach mehr Spaß mit der ganzen Action auf der Bühne.
Euer Ritual vor jeder Bühnenshow ist auch legendär…
Ja, unser Backstageraum ist ein Traum. Eine Stunde vor Beginn jeder Bühnenshow lassen wir niemanden mehr rein und drehen die Boxen so laut auf, dass man sich eigentlich nicht mehr unterhalten kann. Dann ist Party angesagt. Ich bin niemand, der sich auf Knopfdruck anknipsen kann und zum Einstimmen auf die Show ist das perfekt. So machen wir das seit sechszehn Jahren.
Du bist kein Morgenmensch oder?
Naja, ich gehe nie vor halb zwei ins Bett und stehe meistens erst um 9 Uhr auf.
Das geht doch.
Ja, das finde ich auch. Es gab schon einmal Zeiten, da bin ich immer erst um 11 Uhr aufgestanden, aber dann muss man länger arbeiten oder schafft einfach nix, das finde ich doof. Ich stehe gern auf, mach dann Sport, freue mich auf ein gutes Frühstück und gehe dann ins Studio.
Ich bin ausgerastet, als Heinz Strunk bei eurer Inferno-Tour Querflöte gespielt hat. Wie kam es dazu?
Wir haben uns bei der großartigen ARTE-Sendung „Durch die Nacht mit…“ kennengelernt. Ich hatte vorher schon etwas für das Bühnenstück „Dorfpunks“ von Heinz Strunk aufgenommen. Wir fanden uns einfach gut und so entstehen dann solche Sachen.
Was magst du im Leben nicht?
Öffentliche Verkehrsmittel finde ich grausam. Ich musste früher, als ich in Leer gewohnt habe, immer lange Zeit bei Wind und Wetter mit der Bahn fahren. Schon damals habe ich mir geschworen, wenn ich irgendwann mal Geld habe, dann will ich das nicht mehr machen.
Hast du deshalb eine Sammelleidenschaft für Autos entwickelt?
Ja, aber die meisten habe ich verkauft. Wenn man selber nix reparieren kann, ist das auf Dauer zu teuer. Ich habe jetzt lieber meine zwei bis drei Oldtimer und die fahre ich echt gerne.
Wie siehst du unsere Gesellschaft?
Das ist schwierig zu beschreiben. Ich bin auf jeden Fall kein Freund dieser Wegwerf-Gesellschaft. Ich habe mir z.B. noch nie ein Möbelstück bei IKEA gekauft und ich hatte manchmal echt gar nix außer einem Bett und einem Regal! Aber bevor ich mir sowas kaufe, kaufe ich mir lieber nichts. Da warte ich lieber darauf, dass mir mal eine alte Kommode über den Weg läuft, die ein Leben hinter sich und eine Geschichte zu erzählen hat.
Und was magst du nicht an Menschen?
Oh, da gibt es mehrere Sachen. Also ich finde Neid ist eine ganz komische Eigenschaft und ich glaube, dagegen ist auch kein Kraut gewachsen.
Mit Spießern und engstirnigen Menschen bin ich auch nicht so auf einer Wellenlänge.
Humorlose Menschen tun mir auch sehr leid. Ich finde, man sollte sich selbst nicht zu ernst nehmen. Und ich mag keine Leute, die die ganze Zeit über andere lästern. Da habe ich gemerkt, dass ich mit den Jahren immer empfindlicher werde, denn sowas vergiftet die Atmosphäre. Ich möchte meine Zeit mit Menschen verbringen, auf die ich mich freue und bei denen ich ein gutes Gefühl habe.
Gibt es Vorbilder für dich?
Ja, früher auf jeden Fall Ritchie Blackmore von Deep Purple. Ich habe jeden noch so kleinen Artikel von ihm gelesen und habe mich irgendwann auch so verhalten wie er. (lacht) Ich bin sogar mit so einem schwarzen Hut aufgetreten. Ritchie habe ich in meiner Jugend sehr verehrt, damals als ich auch noch Gitarre gespielt habe. Und vor Lemmy von Motörhead habe ich auch krassen Respekt!
Wie entstehen eure Ideen?
Eigentlich überall und jeden Tag, nur nicht auf Knopfdruck. Ich bin ein guter Beobachter und schreibe mir alles auf, was ich gut finde. Wenn wir dann einen neuen Track haben und ich das an einer entsprechenden Stelle einsetzen kann, dann wird das einfach gemacht. Man kann sich das wie eine Collage vorstellen, die wir für jedes Stück einzeln zusammenstellen.
Mit SCOOTER unterstützt ihr als Botschafter das Projekt iCHANCE vom Bundesverband der Alphabetisierung.
Ja, das machen wir, aber ohne großes Tohuwabohu. Es geht darum, Vorurteile abzubauen und soll Menschen mit einem Grundbildungsbedarf ermutigen, geförderte Lernangebote wahrzunehmen. Aber ich schmücke mich nicht gern mit Charity-Federn, das hat immer so einen fahlen Beigeschmack von Eigenpromotion.
H.P. feiert mit SCOOTER seit 16 Jahren Erfolge auf der ganzen Welt. Sie sind mit ihren Songs mehr als 400 Wochen in den deutschen Verkaufscharts vertreten und trotzdem ist er im Herzen ein ehrlicher Ostfriese geblieben. Er sagt selbst, dass ihm gar nicht so bewusst ist, dass SCOOTER wirklich die Musikgeschichte nachhaltig beeinflusst hat. Er lebt im Hier und Jetzt und blickt nicht zurück. Weit über 25 Millionen verkaufte Tonträger, über 80 Gold- und Platin-Schallplatten aus aller Welt, sowie eine Sammlung hochkarätiger Musikpreise sprechen eine klare Sprache.