Jupiter Jones
Stur, eigensinnig, liebenswert.
Eigentlich ist es schnell zusammengefasst: Jupiter Jones sind erschreckend ehrlich und sehr direkt. Die Band hat gerade mit „Still“ ihren ersten Echo gewonnen. Es hat zehn Jahre gedauert bis die vier Individualisten sagen konnten: „Ja, wir sind von Beruf Musiker.“
Ihre Songs handeln von Liebe, Verlust, Sinnsuche und Selbstzweifel. Die deutschen Texte sind nicht nur sehr gut, sie offenbaren dem Zuhörer, wer die vier wirklich sind und was sie empfinden. Wenn gebrüllt wird, dann steckt dahinter echter Frust.
Ich fahre zu einem Konzert nach Rostock, um mir Nicholas (Gesang + Gitarre, links vorne), Sascha (Gitarre, rechts hinten), Hont (Schlagzeug, rechts vorne) und Becks (Bass, links hinten) live anzugucken und merke sehr schnell: Jupiter Jones kennen keine Grenzen. Viele Songs sind purer Punk und das merkt man auch auf der Bühne. Wer durch den Radio-Hit denkt, dass die Jungs privat eher ruhig sind, der täuscht sich gewaltig, denn Backstage geht es bei Jupiter Jones äußerst lustig zu!
Hont, warum bist du eigentlich nie auf Backstage-Partys?
Hont: (lacht) Weil ich die Musik GANZ furchtbar finde. Das ist tatsächlich der einzige Grund. Klar gibt es da auch eine Menge Leute, mit denen ich gerne mal anstoßen würde, aber da gibt es auch genauso viele Leute, mit denen ich nicht feiern möchte. (Sascha lacht herzlich). Ich würde ja gerne, aber ich halte es da einfach nicht aus.
Du bist also auch einer von diesen „Musik-Nazis“?
Hont: Also in der Hinsicht ja. Wenn ich den ganzen Abend nur Disco-Musik um die Ohren geblasen kriege, macht mich das verrückt. Ich kann einfach nicht verstehen, warum die auf den Aftershowpartys keine Rockmusik oder einen gesunden Mix aus allem spielen. Ich kann durchaus tolerant sein, aber auf diesen Partys läuft wirklich IMMER stumpf dieselbe Scheiß-Musik.
Hast du früher auf Partys immer dein eigenes Mixtape mitgenommen?
Hont: (lacht) Also auf den Partys, wo ich war lief auch immer die Musik, die ich hören wollte.
Würdet ihr euch auch mal eine Trance-Platte kaufen?
Sascha: Ich kauf mir sowieso fast keine Musik. Ich kauf mir zwar gerne Vinyl, aber ich renne nicht so wie Hont, in jeder Stadt wo wir sind, in alle Plattenläden.
Und wie findet ihr z.B. die Plattenläden in London?
(Beide lachen) Sascha & Hont: Wir waren noch nie in London.
Sascha: Wie war jetzt die Frage nochmal?
Hont: Ob wir uns auch Trance-Platten kaufen würden.
Sascha: Ach ja. Also ich würde mir keine Trance- oder Elektro-Platte kaufen. Sowas höre ich privat nicht. Aber ich bin nicht so ein Musik-Nazi wie Hont. Auf Aftershowpartys kann ich die Musik ganz gut ertragen. Da trinkt man ein „bisschen“ was und dann ist einem die Disco-Musik irgendwann auch egal.
Welche Musik hört ihr denn wirklich gerne?
Sascha: Iron Maiden.
Hont: Stimmt, das ist ein gemeinsamer Nenner von uns.
Sascha: Hont und ich haben früher zusammen in einer Metal-Band gespielt und da haben wir beide wirklich NUR Metal gehört. Mit der Zeit sind unsere Geschmäcker diesbezüglich etwas auseinander gedriftet. (Beide lachen)
Hont: Ja, aber das ist ok. Ich für meinen Teil höre zu Hause immer noch überwiegend Metal-Musik. Ich habe mich aber auch Dank Jupiter Jones anderen Musikstilen geöffnet. Metal gibt mir aber definitiv die meiste Energie. Mittlerweile kann ich aber auch durchaus mit vielen anderen Musikrichtungen etwas anfangen, nur bei Elektro und Dance hört es bei mir dann auf.
Müsst ihr nach zehn Jahren überhaupt noch proben?
Sascha: Nein, wir proben nie. Wir proben nur dann, wenn etwas Neues ansteht. Also wenn wir eine neue Platte aufnehmen oder auf Tour gehen. Wir wohnen ja inzwischen alle in unterschiedlichen Städten. Zum Proben treffen wir uns aber alle wieder in unserem alten Proberaum bei Muddern, Tante und Omma in der Eifel. Die meisten Songs entstehen vorher bei uns zu Hause und dann fahren wir mit den Demosongs in die Eifel und setzen uns zwei bis drei Wochen am Stück als Band zusammen.
Und wie ist der musikalische Entwicklungsprozess in dieser Zeit?
Sascha: Die meisten Songs entstehen bei uns zu Hause. Wenn ein Song z.B. von mir kommt, dann komponiere ich zuerst die Musik und Nicholas schreibt dann den Text. Manchmal passiert auch alles ganz spontan. Wenn wir uns im Proberaum treffen, dann sind wir manchmal immer noch überrascht, wie krass talentiert Nicki ist. Wir spielen z.B. einen Song ein und er geht auf eine Zigarettenlänge raus und kommt mit einem fertigen Text zurück.
Hont: Das stimmt tatsächlich. Das können wir oftmals immer noch nicht glauben, aber es passiert wirklich. Das fließt einfach aus ihm raus, er muss sich dafür noch nicht einmal anstrengen. Das ist echt eine Gabe, die er hat. Ohne jetzt überheblich oder arrogant klingen zu wollen, ist Nicki für mich einer der besten Texter in Deutschland.
Was habt ihr denn vorher gemacht?
Hont: Ich war Bauzeichner. (lacht) Tja, da guckst du. Ich hatte so einen richtig seriösen Beruf vorher.
Sascha: (guckt zerknauscht) Ich war Informatiker, müssen wir darüber reden?
Macht ihr Charity-Sachen?
Sascha & Hont: Ja.
Und welche?
Sascha: (zögert) Och nee. Wir posaunen das nicht so gerne in die Welt hinaus. Man muss zwar zu einem gewissen Grad Werbung für das machen, was man unterstützt, aber ich finde es nicht gut, wenn man damit hausieren geht.
Hont: Ich mag das auch nicht. Da kommt man so Bono-mäßig rüber. Wir sind nicht der Typ Mensch, der sich auf allen Wohltätigkeitsveranstaltungen zeigt und sich dann feiern lässt. Man kann sich auch im Hintergrund halten und trotzdem eine gewisse Werbung für eine gute Sache machen. Ich finde es nicht gut, wenn man das als Promi so plakativ nach außen trägt.
Habt ihr ein Lieblingsinstrument oder eine Lieblingsmarke?
Sascha: Ich mag sehr gerne alte Gitarren wie die „Fender Jaguar“ und ich liebe alte Synthesizer. Ich würde mir auch gerne eine echte „Fender Jaguar“ zulegen, aber die kostet 4.000 bis 5.000 Euro, das ist im Moment ein bisschen viel.
Lieblingsfilm?
Hont: (seufzt laut) Puh, also der Klassiker für mich ist immer noch „Herr der Ringe“. Es muss nicht unbedingt Fantasy sein, aber da bin ich wirklich jedes Mal geflasht aus dem Kino gegangen.
Sascha: (begeistert) Ich stehe auf alte Japan-Trash-Filme, sowas wie „Invasion aus dem Innern der Erde“ oder „Godzilla vs. Biollante“!
Wo sind denn eure Frauen/Freundinnen heute?
Hont: Wenn wir mit der Band unterwegs sind, haben wir in der Regel keine Zeit uns um unsere Freundinnen zu kümmern. Außerdem wird der Tag für unser Team anstrengender, wenn immer jeder von uns seine Freundin mitbringen würde. (lacht) Außerdem haben unsere Freundinnen inzwischen gar keinen Bock mehr mitzukommen. Meine Freundin ist mit mir zusammen, weil sie mich als Mensch liebt und nicht weil ich in einer Band spiele. Sie findet es zwar toll, was ich mache, aber sie verspürt nicht den Drang überall hin mitzukommen. Wenn wir bei uns zu Hause in der Nähe spielen, kommt sie aber gerne zum Konzert.
Ist es nicht toll einen erfolgreichen Musiker als Freund zu haben?
Hont: Naja, das ist nicht immer toll. Wir waren letztes Jahr 300 Tage unterwegs und da braucht man schon einen Partner, der eine erhebliche Portion Toleranz mit in die Beziehung bringt. Unsere Freundinnen müssen irgendwie damit klar kommen. Keiner von uns würde die Band opfern, nur weil eine Partnerin mehr Zeit für die Beziehung verlangt, an diesem Punkt waren wir alle schon. Das hat nix damit zu tun, dass man seine Freundin nicht liebt! Das ist der Preis, den man bezahlen muss, wenn man sich für den Weg der Musik entschieden hat.
Wie sieht es denn mit Groupies aus?
Hont: Aus der Nummer bin ich raus, da bin ich stockkonservativ.
Sascha: So richtige Groupies gibt’s bei uns gar nicht und Frauen gibt es ja in jeder Stadt. Ich sag mal so: Wenn man es drauf anlegt, geht einiges, aber ob man das will, ist halt die Frage.
Werdet ihr auf der Straße erkannt?
Sascha: (lacht) Ja, sicher. Also ich war gestern auf einem Konzert in Hamburg und da merkt man schon, dass viele einen erkennen, auch wenn sie einen nicht direkt ansprechen. Oder man steht am Bahnhof und die Leute tuscheln. Ich finde das aber nicht schlimm.
Hont: Also es ist jetzt nicht so, dass wir durch die Stadt gehen und uns kreischende Mädels hinterherrennen. Dass uns Leute erkennen hat aber deutlich zugenommen in den letzten Jahren und gerade bei uns in der Eifel gibt es ein Geschäft, in dem ich es inzwischen vermeide einzukaufen. Ich unterhalte mich wirklich gerne mit den Leuten über Gott, die Welt und die Band. Ich mache das aber nur, wenn ich merke, dass ein echtes Interesse an mir als Person oder der Band besteht. Smalltalk hasse ich wie die Pest.
Sascha: (lacht) Dann erzähl doch das nächste Mal totalen Quatsch in so einem Smalltalk-Gespräch und denk dir lustige Sachen aus.
Schicksal oder Zufall?
Hont: Ich glaube daran, dass man sein eigenes Schicksal selber lenkt. Es liegt in meiner Hand, was ich aus meinem Leben mache. Wir sitzen ja nicht ohne Grund heute hier zusammen. Bis zu einem gewissen Grad kann man sein Leben lenken und der Rest passiert durch Zufall.
Sascha: Und Glück, ganz viel Glück! Ich glaube nicht an das Schicksal, nur an Zufälle.
Hont: Ich glaube zumindest nicht daran, dass da oben jemand sitzt, der alle Ereignisse in die richtigen Bahnen führt.
Aber es gibt doch eine bestimmte Form von Energie. Es macht ja nicht einfach „Puff“ wenn man stirbt und alles ist weg.
Sascha: Doch, natürlich. Religion ist die große Angst des Menschen vor dem Sterben. Nach dem Tod kommt nix mehr.
Habt ihr denn keine Angst vorm Sterben?
Sascha: Klar habe ich Angst vorm Sterben. Ich lebe zwar genauso so, wie ich das gerne möchte, aber Angst vorm Sterben habe ich trotzdem.
Hont: Ich auch, was aber auch daran liegt, dass man ja noch Ziele hat. Ändern würde ich in meinem Leben aber auch nix.
Aber es gibt doch Sachen, die man nicht erklären kann.
Hont: Also ich lasse mich auf jeden Fall nicht von irgendetwas „leiten“. Wenn ich etwas will, dann gehe dafür mit dem Kopf durch die Wand.
Jupiter Jones ist keine Band, die um jeden Preis die Massen entertainen möchte oder auch nur eine Sekunde lang auf dicke Hose macht. Man sieht, hört und fühlt genau, dass die vier Musiker ein Jahrzehnt Bandgeschichte verbindet und dass sie sich ganz bewusst für einen gemeinsamen Weg entschieden haben.
Selten habe ich in der heutigen Zeit Menschen getroffen, die so ehrlich und bewusst mit ihren Mitmenschen umgehen. Die Botschaft ihrer Musik ist besonders. Das Publikum muss sich zwischen Tränen und Schweiß im Moshpit nicht entscheiden, denn bei Jupiter Jones darf und kann man beides haben.