Pohlmann
Das Leben ist eine Baustelle
Text Madita van Hülsen
Ingo Pohlmann kommt aus dem kleinen Örtchen Rheda-Wiedenbrück aus Nordrhein-Westfalen. Bevor er Musiker wurde machte er seinem Vater zu Liebe eine Maurerlehre. Spätestens seit 2006 kennen alle den Songpoeten durch seinen Ohrwurm „Wenn es Sommer wär“. Im Juni ist sein neues Album „Nix ohne Grund“ erschienen, auf dem der 41-Jährige private und politische Themen miteinander verbindet.
Doch wer denkt, dass der neue Pohlmann genauso klingt wie der alte, der hat sich geschnitten! Die Zeichen stehen auf Veränderung und Pohlmann wagt einen musikalischen Neubeginn. Elektrobeats, Hip Hop und auch treibender Blues sind neue Komponenten auf dem Album. Aber auch die Akustikgitarre hat immer noch einen festen Platz an seiner Seite.
Dein neues Album „Nix ohne Grund“ klingt so anders. Das ist toll!
Ja, das finde ich auch und ich wollte mich ganz bewusst verändern und weiterentwickeln. Ich wusste von vornherein, dass ich mehr mit elektronischen Beats arbeiten möchte. Ich habe dann in Frankreich angefangen ein paar Demos aufzunehmen. Das war eine tolle neue Erfahrung und eine große Herausforderung für mich, da ich ja eigentlich der Typ mit der Akustikgitarre war. (lacht) Aber der neue Sound hat mir gut getan und den Hip Hop Song „Fenster zur Welt“ habe ich zum Beispiel komplett alleine programmiert, darauf bin ich unheimlich stolz drauf.
Wie lange hast du gebraucht, um das Programmieren zu lernen?
Ich habe in den letzten zwei Jahren angefangen selber Beats zu programmieren und mit verschiedenen Samples zu arbeiten. Und das ist wirklich eine neue, spannende Herausforderung für mich gewesen. Ich wollte die vierte Platte eben wirklich nicht so machen wie drei Alben zuvor. Ich bin dieses Mal auch öfter mit meiner ganzen Band ins Studio gegangen. Wir hatten echt ein paar tolle Sessions und so gibt es ein bisschen weniger Singer/Songwriter und ein bisschen mehr Elektro.
Hast du bei den elektronischen Elementen ein neues Lieblingstool gefunden?
(lacht) Naja, das sind ja wirklich noch elektronische Anfänge, da weiß ich nicht, ob ich mir schon ein Lieblingstool aussuchen darf, aber ich arbeite mit Logic.
Warum ist Individualismus so wichtig?
Ich möchte als Künstler wirklich nur Projekte machen, hinter denen ich auch wirklich stehen kann. Denn nur so kann ich als Mensch und auch als Künstler wirklich glücklich sein und vor allem auch glücklich bleiben! Mit einem Projekt erfolgreich zu sein, hinter dem man nicht 100%ig stehen kann, dass ist definitiv ein Problem.
Wenn ich Songs schreibe denke ich zum Beispiel nicht darüber nach, ob der Song jetzt auch ein Radiohit werden könnte. Wenn das Album dann fertig ist, dann ist das natürlich immer wieder eine der ersten Fragen. Aber ich würde nie einen Song machen, nur weil ich denke, das könnte eventuell ein Hit im Radio werden. Wenn das dann so ist, dann ist das schön, aber ich gehe nicht davon aus.
Was bedeutet „Weiterentwicklung“ für dich?
Mh …ich würde sagen Weiterentwicklung baut immer auf den bereits gemachten Fehlern auf. Allerdings macht man natürlich nie Fehler während man Musik macht. Die Fehler macht man eher danach. Wenn man als Musiker ein neues Album produziert, dann findet man seine aktuellen Songs natürlich super! (lacht) Der Status Quo der neuen Songs ist ja in dem Moment sozusagen das Optimum und somit für einen selbst perfekt. Wenn man aber nach einem Jahr darauf zurückblickt, dann entdeckt man viele Sachen, die man vielleicht doch gerne noch besser gemacht hätte.
Was ist beim Album machen die größte Herausforderung?
Dass man eigentlich wirklich schon weiter in die Zukunft denken muss. Dass man sich fragen muss: „Finde ich das in ein paar Jahren immer noch richtig gut und nicht nur für den Moment?“ Das ist aber eine ganz normale Weiterentwicklung und gehört, denke ich, einfach dazu.
Die erste Single-Auskopplung ist „StarsWars“, wieso?
Es geht um das Leiden an sich, früher oder später packt es ja jeden von uns einmal. Ich habe mich dann hingesetzt und wollte das Thema einfach mal ein bisschen ironischer angehen. Ursprünglich war der Refrain bei dem Lied:
„Du musst immer Mal durchs Jammertal,
Alles lässt sich nicht vermeiden,
auch du musst irgendwann mal wieder leiden.“ (lacht)
Da dachte ich schon still bei mir „Also der Song ist super, aber der Refrain…“
Drei Jahre später habe ich mich mit Kollegen nochmal an das Lied rangesetzt und da haben wir gemerkt, dass es beim Leiden eigentlich auch immer um das Loslassen geht. Das Loslassen ist die einzige Aktion, mit der man dem Leiden entgegenwirken kann. Und wie es der Zufall so will habe ich eine App auf meinem Telefon, wo Yoda der Jedi-Meister sagt: „Train yourself to let go of everything you fear to loose.“ (lacht) und deshalb ist der Refrain jetzt auf Englisch.
Und du hast den „Pohlmann 14580 Gitarrenhalter“ erfunden!
(lächelt und strahlt) Ja, das stimmt. Weißt du, wie ich auf die Idee gekommen bin? Ich stehe öfters im Musikladen und dann möchte ich natürlich gerne auch möglichst viele Gitarren ausprobieren. Jetzt hat man ja nicht immer einen Gitarrengurt oder eine Stuhl zum Hinsetzen dabei. Und irgendwann nervt es echt, wenn man die Gitarre nicht irgendwo auch mal gemütlich ablegen kann.
Da dachte ich, es wäre doch toll, wenn es eine Halterung gäbe, mit der man die Gitarre einfach auf dem Gürtel oder auf Hüfthöhe bequem abstellen könnte. Ich habe mir dann einen Keilriemen genommen und den habe ich schnell und unkompliziert so umfunktioniert, dass ich ihn an den Gürtel klemmen konnte. Nach ein paar Entwicklungsphasen ist nun die optimale Variante des „Pohlmann 14580 Gitarrenhalters“ entstanden.
Was magst du an dir und was magst du nicht?
Oh, das ist eine schwierige Frage. Kann ich die weiterskippen.
Klar. Was magst du an anderen Menschen und was magst du nicht?
(lacht) Ich glaube alle schlechten Eigenschaften, die ich an anderen nicht mag, sind die, die ich an mir selbst nicht mag. Da geht es natürlich um ganz essenzielle Eigenschaften wie Neid oder Missgunst. Leider ertappt man sich irgendwann auch einmal bei diesem Gefühl und schön ist das dann natürlich nicht. Ich glaube, ich kann das aber ganz gut reflektieren und sobald ich eine Eigenschaft an mir bemerke, die ich nicht mag versuche ich diese zu ändern.
Und du bist Stier?
Ja, aber ich glaube eigentlich nicht an Sternzeichen. Tatsächlich habe ich aber mal so ein Stier-Buch geschenkt bekommen und da steht drin, dass Stiere gerne singen. Und ich kenne tatsächlich viele Stiere, die gerne singen oder sogar beruflich Sänger sind.
Bist du denn sonst eher ein gläubiger Mensch?
Ich glaube an keine Religion, die sich in zu starren Vorstellungen bewegt oder die mir vorschreibt, was für mich bzw. mein Leben das Beste ist. Ich möchte auch generell mit keiner Religion leben, die mit einem Bestrafungssystem arbeitet. Wenn man mir erzählt: „Wenn du das tust, dann kommst du in den Himmel und wenn du hingegen dies tust, dann kommst du in die Hölle.“, dann finde ich das ehrlich gesagt sehr anmaßend.
Was denken die Leute immer über dich, aber es stimmt nicht?
(lacht herzlich) Alle denken, dass ich Surfen kann. Ich habe nie gesagt, dass ich es kann, aber irgendwie sehe ich wohl so aus.
Du bist ein sehr nachhaltiger Mensch. Was bedeutet für dich der grüne Fußabdruck?
Da kann ich wirklich nur runterbeten, was andere auch schon gesagt haben. Es ist einfach wichtig, dass wir uns mehr Gedanken über unser Konsumverhalten machen. Ich versuche wirklich nicht so viel Fleisch zu essen und im Alltag bewusst zu konsumieren. Ich esse zwar immer noch gerne Fleisch, aber eben selten! Und wenn ich es tue, dann mache ich mir auch Gedanken darüber woher es kommt.
Ich würde mir einfach wünschen, dass man den Leuten diese Informationen nicht immer und immer wieder erzählen muss. Ich denke manchmal, dass es inzwischen überall angekommen sein muss, dass Thunfisch gefährdet ist und es grundsätzlich nicht gut sein kann von einem Discounter Massentierware zu kaufen.
Bei der Kleidung sollte man natürlich genauso auf Zack sein. Ich gebe zu, dass man nicht immer konsequent sein kann, aber man sollte es wenigstens versuchen. Es geht wirklich um die einfachsten Dinge, wie Wasser nur in Glasflaschen kaufen und Plastik zu vermeiden. Klingt im ersten Schritt für viele vielleicht langweilig, aber man muss sich das immer wieder vor Augen halten, denn das sind tatsächlich die Kleinigkeiten, die es am Ende ausmachen.
Hast du eine Lieblingsgitarre?
Ja, auf jeden Fall – meine! (lächelt) Da ist sogar durch das Schallloch eine Unterschrift von Sheryl Crow zu sehen.
Ingo Pohlmann ist auch nach seinem Tourstart im Juli bis Oktober unterwegs! Alle aktuellen Tourdaten unter: www.ingopohlmann.de